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RadAmbulanz

Die mobile Berliner Fahrradwerkstatt

Shimano Alfine 11-Gang-Nabenschaltung

Seit Mitte Oktober 2010 lieferbar, habe ich mir gleich ein Exemplar der neuen 11-Gang-Nabe bestellt, um sie ausgiebig auszuprobieren.

Weiter unten finden Sie das Resümee nach fünf Jahren und danach die Konsequenz, die ich nach acht Jahren daraus gezogen habe.

Auspacken, erster Eindruck

Das erste lieferbare Modell war eine silberne Nabe mit Center-Lock-Bremsscheibenbefestigung und 36 Speichenlöchern namens CJ-S 700.

Optisch schlicht gehalten, sieht sie ganz angenehm aus, fällt nicht auf gegenüber den Mitbewerbern: von der Größe her fast identisch mit der Nexus 8-Gang-Nabe, ein kleines wenig schlanker als die Rohloff 14-Gang-Nabe Speedhub 500/14 und als die i-motion 9 von SRAM.

Als Schalthebel gibt es einen RapidFire-Hebel, der sich in Optik und Ausführung kaum von den Kettenschaltungs-Hebeln im mittleren Preissegment unterscheidet, ein orangener Balken im Sichtfenster gibt eine Ahnung davon, in welchem Gang man sich ungefähr befindet (vielleicht kann man das durch einige nachträglich angebrachte Punkte verbessern).

Der Preis

Als Fahrradhändler kann ich mir die Nabe mit allem Zubehör (aber noch ohne Bremsscheibe, Speichen und Felge) für knapp 500 Euro ins Schaufenster legen, das ist ein stolzer Preis, aber der wird voraussichtlich noch ein wenig runtergehen, und in kompletten Fahrrädern sind die Shimano-Getriebe erfahrungsgemäß auch günstiger, ich nehme an dass die Alfine-11-Gang nicht viel teurer sein wird als SRAMs i-motion 9-Gang-Nabe.

Auf die Waage damit!

Komplett nackt (ohne Muttern etc.) auf die Waage gelegt die erste Enttäuschung: Auf die versprochenen 1600 Gramm wurden noch mal 85 drauf gelegt. Bei Shimano muss man immer alles Zubehör extra bestellen, und mit Schalthebel, -seil, Radmuttern, aber immer noch ohne Ritzel wiegt sie 2050 g, das Ritzel (Standard-Bauart) je nach Größe noch mal 50-80 g.

Die Schaltansteuerung sieht auf den ersten Blick genau so aus wie bei den 7- und 8-Gang-Naben von Shimano, auf den zweiten Blick sieht man dann, dass der Zug nicht von unten, sondern von oben an die Nabe geführt wird, und es gibt einen kleinen Knubbel, der das Aushängen des Schaltseils ohne Werkzeug erleichtert.

Übersetzungsverhältnis: ein wenig Theorie vorweg...

Der Hersteller gibt eine Bergtüchtigkeit (Bergtüchtigkeit = Gesamtübersetzungsbereich, d.h. das prozentuale Verhältnis vom leichtesten bis zum schwersten Gang) von 406% an, ich habe experimentell für den ersten Gang eine Untersetzung von 0,525 und für den elften Gang eine Übersetzung von 2,138 ermittelt, das entspricht einer Bergtüchtigkeit von 407%, also kann man davon ausgehen, dass die Angaben stimmen.

Der Direktgang ist der fünfte, das heißt man benötigt ein recht kleines Kettenblatt vorn oder ein großes Ritzel hinten, um auf eine kurze Übersetzung zu kommen. Will man also im ersten Gang knappe 2 Meter pro Kurbelumdrehung zurücklegen, braucht man bei 28 Zoll eine Kombination von 33/19 oder 38/22.

Die Gangabstufungen sind über den gesamten Bereich recht gleichmäßig zwischen 13 und 14 Prozent, mit Ausnahme des ersten Gangs: der Sprung vom ersten zum zweiten beträgt 28%. Dies scheint mir vom Konzept her recht schlau, denn gerade am Berg ist es wichtiger, noch einen Gang zu haben, als dass sie besonders gleichmäßig abgestuft sein müssen.

Damit ist die Nabe deutlich feiner abgestuft als die 8-Gang-Nabe mit ihren ungleichmäßigen Sprüngen zwischen 14 und 22 Prozent, und ziemlich genau vergleichbar mit der Abstufung der Rohloff-Nabe (könnte es sein, dass sich die Shimano-Ingenieur*innen daran orientiert haben?), im Prinzip genau gleich, bloß dass er erste, zweite und vierte Gang fehlen.

Und es sind auch die ersten beiden und nicht die letzten beiden Gänge, die fehlen, da Shimano angeblich eine kleinere Eingangsübersetzung nicht erlaubt (Meine Nabe wurde ohne jegliche Anleitung geliefert, daher muss ich mich auf die Gerüchteküche verlassen).

Also, einspeichen und los geht's...

Erster Fahrbericht:

Zunächst: Die Funktion der Nabe ist 100% in Ordnung, sie macht keine Geräusche, sie fühlt sich auch nicht so an, als ob man viel Kraft im Getriebe verliert.

Die Schaltvorgänge funktionieren gewohnt butterweich (wie bei den Nexus 7- und 8-Gang-Naben oder der i-motion 9), aber prinzipbedingt nicht so eindeutig wie bei der Rohloff-Nabe, die zwangsgesteuert ist und deswegen sofort beim Drehen des Schalthebels im entsprechenden Gang ist. Hier bei der 11-Gang-Nabe kann man beim Beschleunigen auch den nächsten Gang "vorwählen", er springt erst beim nächsten kurzen Unterbrechen der Tretkraft rein.

Der Tritt ins Kissen

Aber trotzdem ist die Nabe doch sehr gewöhnungsbedürftig, denn sie hat eine Art Gummipuffer im Antrieb eingebaut (ich kenne das sonst nur in der Tretkurbel eingebaut unter der Bezeichnung "Power-Modulator" und fahre andere Shimano-Naben nur gelegentlich zur Probe, vielleicht ist das da auch so), also wenn man tritt, weichen die Pedale ein kleines Bisschen zurück, das fühlt sich beim ersten Fahren an wie die ersten BioPace-Kurbeln, wo man auch immer den Eindruck hatte, ins Leere zu treten.

Dieser Effekt wirkt sich beim Fahren in der Ebene nicht negativ aus, aber am Berg ist er schon sehr gewöhnungsbedürftig. Vielleicht bin ich da auch nur komisch empfindlich und von der Rohloff-Nabe ein ganz anderes Fahren gewohnt. Wenn man die 11-Gang-Nabe zum Anfahren in wirklich leichte Gänge runterschaltet, kann sich das Hochschalten dann auch so anfühlen wie eine stufenlose Schaltung, da man durch den Gummipuffer oft den eigentlichen Schaltvorgang gar nicht merkt.

Der Tritt ins Leere

Von der Rohloff-Nabe bin ich es schon so gewohnt, dass es mir zunächst gar nicht aufgefallen ist: auch die Alfine 11-Gang-Nabe scheint einen Gang zu haben, in dem sie gelegentlich ganz kurz ausrastet, mir ist es jedenfalls auf den ersten 200 km im achten Gang zweimal passiert, relativ kurz nach dem Schaltvorgang verliert sie den Halt und die Pedale drehen vielleicht eine zwanzigstel Umdrehung frei. Aber Achtung! Ist nur ein erster Eindruck, und ich schalte fast ohne die Trittlast zu unterbrechen, da hat's jedes Getriebe schwer mit dem korrekten Einrasten...

Der Tritt vor die Wand

Wo wir schon bei Verwandtschaften sind: Bei meiner Rohloff-Nabe trete ich beim Schalten von 7 nach 8 und umgekehrt oft wie vor die Wand, da schaltet sich kurzzeitig der 14. Gang ein (das soll inzwischen besser geworden sein), bei der Alfine 11-Gang passiert das Gleiche gelegentlich beim Schalten vom 7. in den 6., wenn man nicht die Last wegnimmt, das hat mir dann doch ein Lächeln auf's Gesicht gezaubert.

Also: Das Schalten unter Last funktioniert bei keinem mir bekannten Getriebe einwandfrei, auch bei diesem nicht - und ich kenne sie fast alle, das klappt bei keiner SRAM- oder Fichtel&Sachs-Nabe, bei Rohloff, Shimano und Sturmey Archer nicht, und selbst die stufenlose NuVinci lässt sich unter Last nicht ordentlich drehen.

Der Schalthebel

Einen guten RapidFire-Hebel hatte ich mir schon lange für meine Rohloff-Nabe gewünscht, aber hier sieht man dann doch schnell die Einschränkungen: beim Schalten kann man bei der Alfine 11-Gang immer nur zwei Gänge weiter schalten.

Also muss ich beim Hochschalten auf das Überspringen von Gängen verzichten (nicht so schlimm, tue ich sowieso selten), aber wenn ich dann unvorbereitet zum Stehen komme, muss ich doch häufig den Hebel drei Mal, manchmal sogar vier Mal durchdrücken, um wieder im vierten Gang zu landen, in dem ich gern anfahre.

Und man muss ihn wirklich tief drücken, den Hebel, wahrscheinlich haben die Ingenieure so viel Zugseil pro Gangwechsel gegeben, um ein häufiges Verschalten zu vermeiden: es passiert nämlich doch immer wieder, dass man beim Durchdrücken des Daumenhebels (in die leichteren Gänge) zwischen zwei Gängen landet, und das verhält sich dann schon mal ein Bisschen komisch.

Ein erstes Fazit

Ich werde die Nabe jetzt erstmal weiterfahren, sie hat durchaus das Potential sich in sie zu verlieben (für Nicht-Fahrrad-Enthusiast*innen sollte die Formulierung vielleicht besser 'gut mit ihr klar zu kommen' lauten, aber die lesen ja sowieso nicht bis hier unten), ich empfinde die Eigenheiten der verschiedenen Fahrradgetriebe auch eher als 'Persönlichkeit' denn als lästig, solange sie einem nicht das Leben schwer machen. Und die Alfine 11-Gang-Nabe macht bisher nicht den Eindruck, als könnte sie das tun.

Aber ich würde sie auch nur als eingeschränkt tourentauglich bezeichnen, zum Einen weil für echte Berge doch noch 2-3 Gänge fehlen (selbst bei der Rohloff-Nabe hätte ich gerne noch einen mehr, um schneller die Berge herunter zu kommen), zum Anderen weil es keine Langzeiterfahrungen gibt, niemand wird Spaß daran haben, in den Anden oder in Sibirien mit Getriebeschaden liegen zu bleiben.

Die Übersetzung im Vergleich

Zusammen mit der Rohloff-Nabe und der Sturmey-Archer 8-Gang-Nabe bietet die Alfine 11-Gang-Nabe jetzt als dritte Nabe auf dem Markt einen Bereich mit gleichmäßigen 13-Prozent-Gangsprüngen an.

Für das gleichförmige Fahren scheint mir eine solche Abstufung gut geeignet, um nicht in unangenehme Trittfrequenzen zu geraten. Rennradler*innen wird diese Abstufung oft noch zu grob sein, aber für die meisten Alltagsfahrerinnen und -fahrer - glaube ich - ist sie eher zu fein.

Insbesondere beim Stop and Go in der Stadt kommt eine Übersetzung wie bei der Spectro 7-Gang von SRAM mit ihren 21-22-Prozent-Sprüngen im mittleren Bereich den meisten eher entgegen. Leider schafft die Firma es einfach nicht, das eigentlich gute Getriebe mit einer robusten Ansteuerung zu versehen, und so landet es inzwischen fast nur noch im Kaufhausrad-Bereich.

Der Gesamt-Übersetzungsbereich von 406% wird das schlagende Verkaufsargument in bergigeren Gegenden sein, in Städten wie Berlin und Köln, wo die ganz Armen mit 3 Gängen und die Reichen mit Single-Speed fahren und klarkommen, wird die 11-Gang-Nabe doch eher eine Randerscheinung bleiben.

Jedenfalls kann man diese Nabe als den Lückenschluss betrachten, jetzt kann Jede*r so ungefähr das Getriebe fahren, was er/sie haben möchte.

Angesichts des Preises von ca. 500 Euro kann man sich dann doch überlegen, ob man nicht gleich für nochmal 300 Euro mehr das High-End-Getriebe von Rohloff kauft.

Nachtrag, ein Jahr später

Mittlerweile wurde die Nabe insgesamt 4000 km gefahren, und ich stelle fest: Fast alle Einschätzungen stimmen so weit immer noch, nur das Thema Leertritte muss noch etwas erweitert werden. Es ist nämlich nicht nur im achten, sondern auch in fast allen anderen Gängen so, dass die Nabe gelegentlich "den Halt verliert" (also bei 10 km Stadtverkehr mit vielleicht 100-200 Schaltvorgängen passiert das mit dieser Nabe so ein bis zwei Mal), und das bei perfekter Schaltseil-Einstellung, bei starkem Frost passiert es häufiger.

Ich hatte die Nabe mittlerweile auch aus eben diesem Grund zur Kontrolle/Fehlerbehebung eingeschickt, und sie nach 4 Wochen (in Worten: vier Wochen! Man stelle sich mal vor, ich hätte meinem Kunden ein Ersatzrad finanzieren müssen für die Zeit...) zurückbekommen mit der Analyse, sie sei 100 Prozent in Ordnung, kein Fehler feststellbar.

Das wundert mich nicht, ich denke auch, dass gelegentliche Leertritte bei dieser Nabenkonstruktion normal sind. Allerdings weiß ich nicht, wie schnell dadurch Beschädigungen auftreten.

Insbesondere wegen dieser Service-Geschwindigkeit und -Qualität werde ich nun definitiv wieder die Rohloff-Nabe verwenden.

Resümee nach fünf Jahren

Aus den Reaktionen auf diese Seite schließe ich, dass auch viele andere Fahrer*innen Probleme mit Leertritten haben, kann aber nicht einschätzen, ob sich bei mir nur die Frustrierten melden, die nach Leertritten googeln, oder ob es ein allgemein verbreitetes Phänomen ist.

Ein typischer Fall ist die Mail, aus der ich folgenden Auszug zitiere:
"wir (hatten) wegen dieser Gangschaltung korrespondiert.
Die Schaltung wurde dann eingeschickt an Paul Lange. 7 Wochen war ich fahrradlos..
Es wurde ein neues Getriebe eingebaut. Es kostete 215 €.
Aufklärung über die Ursache bekam ich keine. Ich habe das Fahrrad seitdem nicht mehr benutzt, weil ich mir ein neues gekauft habe und hoffe, dass ich das fragliche Rad verkaufen kann.
Am Ende nichts Spektakuläres, außer das ich mich furchtbar gärgert habe und mich irgendwie nicht für vollgenommen fühlte."

Mittlerweile zeigen sich bei meiner Nabe des Öfteren erste Alterungserscheinungen: Anscheinend ist die Schaltzug-Rückholfeder der Nabe ihrer Aufgabe auf Dauer nicht gewachsen (die Verfechter des Rohloff-Prinzips der zwei Züge werden sich ein Grinsen nicht verkneifen können) - das Schalten in den elften Gang klappt dann erst nach etwas Wartezeit oder gutem Zureden. Übrigens auch ein Problem der SRAM-9-Gang-Nabe, wo später das Schalten in den ersten Gang nur noch eingeschränkt funktioniert.

Anfangs hilft da noch die Montage eines neuen Schaltzugs, um das System etwas leichtgängiger zu bekommen, im fortgeschrittenen Stadium muss dann die Rückholfeder ausgetauscht werden.

Inzwischen fährt auch die oben getestete Nabe wieder, Fahren und Schalten tut sie super, aber nach mehreren kräftigeren Aussetzern im zweiten Gang ist sie offensichtlich intern so beschädigt, dass dieser Gang immer wieder ausrastet. Selbstverständlich sind keine Sperklinken als Ersatzteil zu bekommen, ich kann mir also überlegen, ob ich (wie in der oben zitierten Mail) den kostenpflichtigen Austausch riskiere oder ob ich ohne zweiten Gang leben kann...

Also keine Kaufempfehlung, zumindest nicht für Tourenräder! Weder die Qualität des Materials noch des Services sind für Auslandsreisen ausreichend. Und noch einmal der Vergleich mit der Rohloff-Nabe: hier hatte ich bei meiner knapp 15 Jahre alten Nabe auch schon öfter kräftige Aussetzer, aber danach greifen die betroffenen Gänge immer wieder einwandfrei. Und bei echten Schäden an der Nabe schickt Rohloff das benötigte Ersatzteil auf schnellstem Wege in alle Winkel der Welt.

Konsequenz nach acht Jahren

Nachdem die Nabe jetzt ein paar Jahre unbeachtet in der Ecke gelegen hat und inzwischen auch die Ersatznabe, die ich besorgt hatte, deutliche Macken gezeigt hat, habe ich mich entschlossen, die beiden Naben zu zerlegen, in der Hoffnung, wenigstens eine retten zu können.

Herausgekommen ist dabei zuächst die Erkenntnis, dass der Hersteller doch alle möglichen Ersatzteile des Innenlebens dieser Nabe vertreibt, und zwar zu durchaus bezahlbaren Preisen. Die zweite Erkenntnis war etwas bitter, weder der Hersteller noch irgendein Technikfreak hat sich bislang an die Innereien der 11-Gangnabe gewagt und die Ergebnisse ins Netz gestellt, man findet nur Explosionszeichnungen und rudimentäre Funktionsbeschreibungen. Herausgekommen ist also die 'Fortsetzungsseite' Alfine 11-Gang-Nabe zerlegen, Fehler suchen und wieder zusammenbauen.

Weiterlesen? Sehr lesenswert ist der Blog von Bob Wittig, in dem er seine persönlichen Erfahrungen mit der Alfine 11 und dem Importeur schildert und zudem sehr ansehnliche CT-Schnittbilder der Nabe präsentiert.

In der sechzehnten Ausgabe der FahrradZukunft, einer Online-Fahrradzeitung, finden sich zwei lesenswerte Artikel zum Thema Nabenschaltungen.

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